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Eine Poesie des Klangs

Der Dirigent und Geiger Oswald Sallaberger begegnet nach vielen Jahren, in denen er seinen künstlerischen und Lebensmittelpunkt in Frankreich hatte, seinem Geburtsland Tirol neu. Neben seiner internationalen Auftrittstätigkeit findet er vermehrt Zeit, die heimische (Musik-) Landschaft zu erkunden. Im Haus der Musik ist er mit „Kosmos Trakl. Eine  Annäherung“ zu Gast. Seine Begleiter*innen auf der poetischen Reise in die Welt des Dichters Georg Trakl sind das Projektensemble „La Maison Illuminée“, der Tiroler Pianist Michael Schöch und die französische Sopranistin Jenny Daviet. Wie es ist, wenn die Heimat ein Fragezeichen hat, wie man ein Orchester neu erfindet und worin die Vorzüge eines flexiblen Ensembles liegen, erzählt er im Interview.

 

Als Eröffnungsstück für das Programm „Kosmos Trakl. Eine Annäherung“ haben Sie ein Werk von Werner Pirchner ausgewählt, den ersten Satz aus „Heimat?“. Trägt auch Ihre Heimat Tirol ein Fragezeichen?

In gewisser Weise. Ich bin hier geboren und zur Schule gegangen, aber ich war zu kurz hier, um Tirol als Heimat zu empfinden. Als Kind und Jugendlicher, der Geige spielte, war ich im Dorf auch ein Außenseiter, und so habe ich auch gelebt: immer ein bisschen als Fremder. Aus verschiedenen Gründen bin ich wieder öfter in Tirol und habe mich gefragt, wo meine Anknüpfungspunkte sind. So bin ich auf Georg Trakl gekommen und auf Musik, die mit ihm verbunden ist. Der erste Satz aus „Heimat?“, „Aus dem Nichts?“, steht als Einzelstück am Anfang des Abends. Das Fragezeichen gehört zum Titel dazu, weil Heimat so viel Verschiedenes bedeuten kann.

Neben der Geige war schon sehr früh auch der Dirigentenstab Ihr „Instrument“. Wussten Sie schon immer, dass Sie ein Orchester leiten wollten?

Nein, als Kind konnte ich mir das gar nicht vorstellen. Aber ich wollte sehr früh Musiker sein, egal in welcher Form. Dadurch, dass ich als Geiger rasch vorankam und in den Jugendorchestern Konzertmeister wurde, ist aufgefallen, dass ich gut leiten kann. Das Dirigieren wurde an mich herangetragen, aber ich erinnere mich auch an ein Erlebnis, das mich antrieb, diesen Weg einzuschlagen: Mit der Österreichischen Jugend-Philharmonie habe ich als Jugendlicher Bruckner und Mahler gespielt, und schon bei der ersten Tuttiprobe hat mich eine Stelle mit Klang infiziert: dieser Moment, wenn nach einem Crescendo erst Stille herrscht und dann das Pianissimo einsetzt. Mit zwanzig hatte ich die Möglichkeit, an berühmten Orten wie der Carnegie Hall zu dirigieren, und beschloss, es von Grund auf zu lernen. In Michael Gielen fand ich einen sehr guten Lehrer, und seither bin ich beides: Geiger und Dirigent.

Ein außergewöhnlicher künstlerischer Auftrag band Sie von 1998 bis 2010 aber doch stärker ans Dirigieren.

Ich konnte in Rouen in der Normandie ein junges Orchester aufbauen und damit eine neue Tradition am Opernhaus begründen. Natürlich führten wir das große Repertoire auf, aber es gab auch eine gewisse Freiheit. Mir war wichtig, dass Neue Musik gespielt wird, dass die historisch informierte Aufführungspraxis von Alter Musik zumindest kein Fremdwort ist. Kammermusik habe ich verpflichtend eingeführt und am Anfang auch viel selbst Geige gespielt. Irgendwann wollte das Orchester natürlich zeigen, was es kann, und so habe ich mich aufs Dirigieren konzentriert.
Wir waren jedes Wochenende in einem anderen Ort der Region, für die Menschen dort waren diese Konzerte oft ein Höhepunkt im Jahr.

Diese Aufbauarbeit ist seit einigen Jahren abgeschlossen. Haben nun – wie bei „Kosmos Trakl“ im Haus der Musik – die Geige und freie Projekte wieder das Wort?

Ja, dazu habe ich das Projektensemble La Maison Illuminée gegründet – kein fixes Ensemble, sondern eine Musikerfamilie aus sechzig Instrumentalist*innen und Sänger*innen aus Frankreich und anderen europäischen Ländern. Es geht darum, Talente aufzuspüren und mit diesen Musiker*innen ernsthaft zu arbeiten.
Gerade bei Sänger*innen ist mir da einiges geglückt. Jenny Daviet, die beim Trakl-Projekt in Innsbruck gastiert, hat unter anderem dadurch ihren Modus gefunden: die Arbeit mit La Maison Illuminée mit seiner Aufgeschlossenheit, Entspanntheit und Freude. Das soll einfach eine Rolle spielen.

Im „Kosmos Trakl“ gibt es die unterschiedlichsten „Planeten“: Vertonungen von Gedichten Georg Trakls, Werke mit Bezügen zu seiner Biografie, reine Instrumentalmusik. Wie entwickeln Sie ein solches Programm?

Es hat mich immer schon angespornt, außermusikalische Themen wie Poesie oder Malerei in der Musik umzusetzen. Ich mag das Enigmatische an Trakls Gedichten sehr, das ist einzigartig im deutschen Sprachraum. In Tirol habe ich dann das Umfeld, durch das er zu diesem Stil gekommen ist, näher betrachtet: die Zeitschrift „Brenner“, durch die kulturell viel entstanden ist, oder die Erziehung durch eine französische Gouvernante, die den Geschwistern Trakl französische Lyrik im Original vorgelesen hat: Rimbaud, Baudelaire und Verlaine. Die Musikstücke, die ich ausgewählt habe, haben mit solchen Bezügen zu tun. Das sind mehr oder weniger enge Verbindungen zu Trakl. Aber es geht nicht darum, mit dem Finger darauf zu zeigen. Ich habe vor allem darauf geachtet, dass dramaturgisch ein gutes Programm, ein schönes Konzert zustande kommt.

Dann freuen wir uns schon darauf, mit Ihnen diesen Kosmos zu erkunden

WORT & MUSIK: Kosmos Trakl . Eine Annäherung

Vertonungen von Gedichten Trakls und französischer Lyrik

FR 03. Februar 2023
Beginn 20.00 . Großer Saal

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