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Gedankenspiele mit Johannes Pramsohler

Johannes Pramsohler leitet das Tiroler Symphonieorchester beim Auftakt zur neuen Konzertreihe ACADEMIE im Haus der Musik Innsbruck von seiner Violine aus. Der in Südtirol geborene und mittlerweile in Paris lebende Geiger lässt uns seine Gedanken und seinen Zugang zur historischen Aufführungspraxis wissen.

Gedankenspiele


… zum Umbruch der Klassik


Die Welt der Klassik ist im Umbruch. Das belegen aktuelle Statistiken zu Besucher- und Abonnementzahlen. Um dem entgegenzuwirken setzt die Musikindustrie seit geraumer Zeit auf Starbesetzungen und Crossover-Projekte wie zum Beispiel Vivaldi Recomposed, Lounges etc. Wie schätzen Sie die Situation ein?
Ich selbst habe von diesem Umbruch noch nichts gemerkt. Vielleicht weil meine aktive Karriere zu einem Zeitpunkt anfing, als dieser Umbruch schon längst im Gange war. Ständig werden neue Konzertsäle eröffnet und wenn ich selbst einmal als Gast zu einem Konzert möchte, ist es meist ausverkauft. Besonders in Großstädten ist das Publikum eher jünger. Natürlich muss man sich immer an neue Gegebenheiten anpassen, aber ich finde diverse Festivals, Orchester und Konzerthäuser machen das sehr gut und haben oft geniale Ideen. Wenn mit „Musikindustrie“ die Plattenindustrie gemeint ist, sieht die Situation natürlich anders aus. Ich stelle mir oft die Frage, ob es Aufnahmen überhaupt noch in dem Maße braucht, wie sie derzeit auf den Markt kommen. Mit meinem Ensemble Diderot verfolge ich ein 360° Prinzip: Wir haben unser eigenes Büro und unser eigenes Label. Damit sind wir zum Großteil unabhängig, können schnell reagieren und all unsere Einnahmen kommen auch wieder uns und unseren Projekten zugute.

… zur historischen Aufführungspraxis


Wie passt sich die Welt der Historischen Aufführungspraxis an die neuen Gegebenheiten an?

Von der Alte-Musik-Szene gingen immer schon interessante Impulse aus. Genau diesen verstaubten und verkalkten Klassikmarkt, der alles zu cremiger Pannacotta eindickt, mit neuen, leichteren Rezepturen aufzumischen, war eines der Ziele der Vorreiter der historischen Aufführungspraxis. Leider ist inzwischen auch die Alte Musik mitten im Mainstream angekommen und genau da liegt die Gefahr: Wenn sich etwas aus sich selbst rechtfertigt und sich nicht ständig selbst hinterfragt, wird es irgendwann irrelevant. Schlussendlich kann nur eine seriöse Auseinandersetzung mit den Werken und den Komponisten interessante Inhalte garantieren.

Wie sind Sie zur Historischen Aufführungspraxis gekommen?
Ganz klassisch! Modernes Geigenstudium und eine zunehmende Begeisterung für Alte Musik, angefacht durch die vielen genialen Aufnahmen der 1980er- und 1990er-Jahre und die Affinität zum Geist, der hinter der Historischen Aufführungspraxis steckt: Die Dinge hinterfragen, neues altes Repertoire entdecken und ein bisschen rebellisch gegen den Mainstream zu arbeiten.

Historische Aufführungspraxis und moderne Instrumente. Ein Widerspruch?
Überhaupt nicht! Für mich ist es aber wichtig, beides sauber zu trennen. Man kann mit modernem Instrumentarium wunderbar barock spielen. Diesen Mischmasch an Instrumenten in einigen Orchestern, die sich „Barockorchester” nennen, und der weder dem Publikum noch den Veranstaltern auffällt, finde ich höchst problematisch. In anderen Bereichen würde man das Etikettenschwindel nennen.

Was können moderne Musiker oder Orchester von dieser Aufführungspraxis lernen?
Andere Herangehensweisen kennenzulernen ist interessant und kann nur von Vorteil sein. Es gibt nicht eine einzig gültige Aufführungspraxis. Jeder „Barockspezialist” hat andere Prioritäten und kann neue Sichtweisen aufzeigen. Was mich an Barockorchestern immer fasziniert ist, mit welcher Hingabe und Leidenschaft sich jeder Musiker für die Sache einsetzt. Vor allem das Arbeiten ohne Dirigent fördert ein ganz neues Verantwortungsbewusstsein im Orchester.

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… zur Jugend


Was würden Sie einem jungen Musikstudenten raten?

So offen wie möglich zu sein und sich Impulse von überallher zu holen, um dann einen ganz eigenen Zugang zu den Werken zu finden. Nicht einfach nur Aufnahmen nachspielen, sondern sich eigene Interpretationen erarbeiten.

Wolfgang Laubichler

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