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Gemeinsam in der Musik-WG

Der Tiroler Volksmusikverein ist einer von drei Traditionsverbänden, die im Haus der Musik Innsbruck eine neue Heimat gefunden haben. Dass unter demselben Dach noch viele andere Musik-Institutionen tätig sind, sieht Peter Margreiter, Obmann des Vereins, als Gewinn und als Möglichkeit für Austausch, Begegnung und Zusammenarbeit über Stilgrenzen hinweg.

Vielleicht konnte eine Institution wie der Tiroler Volksmusikverein nur in einem Land wie Tirol entstehen, in dem der Tourismus andere Erwerbszweige in kurzer Zeit ablöste und sich mit der Wirtschaft auch Gesellschaft und Kultur veränderten. Schon zur Zeit der Gründung, in den 1960er-Jahren, ging es daher darum, Musiktraditionen zu pflegen und eine Anlaufstelle für alle in der überlieferten Volksmusik Tätigen und an ihr Interessierten zu schaffen. Seither kümmert sich der Verein um musikalische Fortbildung, organisiert Veranstaltungen wie das Tiroler Adventsingen oder den Alpenländischen Volksmusikwettbewerb und verlegt Noten für aktive Musikant*innen und Musikliebhaber* innen. 2.000 aktive Mitglieder und rund 120 Mitgliedsgruppen nutzen das Vereinsangebot, das sich an Menschen „von fünf bis 95“ richtet.

Volksmusik im Wandel

Bei aller Traditionsliebe ist Volksmusik aber nichts Starres, sondern lebendiger Teil der regionalen Kultur. „Sie verändert sich vielleicht nicht ganz so schnell wie Popmusik oder neuzeitliche Strömungen“, sagt Vereinsobmann Peter Margreiter, „die Globalisierung macht aber auch vor der Volksmusik nicht halt.“ Junge Musikant*innen seien per Knopfdruck mit der ganzen Welt vernetzt. Unter anderem spielen auch Strömungen der Weltmusik in die traditionelle Tiroler Musik herein.

„Dieses Musik-WG-Feeling
hat sich im ganzen
Haus ausgebreitet“

Peter Margreiter

Impulse für die Kulturszene

Vernetzt zu sein, mit anderen ins Gespräch zu kommen und zusammenzuarbeiten, das ist dem Tiroler Volksmusikverein nicht nur in Bezug auf die Musik ein Anliegen. Der Umzug ins Haus der Musik Innsbruck 2018 hat in dieser Hinsicht viel gebracht – weit mehr noch, als abzusehen war. So wie andere Institutionen ist der Tiroler Volksmusikverein in die hauseigenen Programmschienen eingebunden, zum Beispiel in die „Kuschelkonzerte“ für Erwachsene und Kleinkinder. Die Lage im Stadtzentrum bedingt, dass Vereinsmitglieder öfter vorbeischauen als früher und es „ein ständiges Kommen und Gehen“ gibt. Und auch der Kontakt zu den anderen Traditionsverbänden im Haus, dem Blasmusikverband Tirol und dem Tiroler Sängerbund, hat sich durch die kurzen Wege intensiviert.

Die eigentliche Überraschung ist für Peter Margreiter aber, wie sehr alle hier tätigen Institutionen zusammengewachsen sind. „Dieses Musik- WG-Feeling hat sich im ganzen Haus ausgebreitet“, meint er, schon die zufälligen Begegnungen und kurzen Gespräche am Gang zeigen Wirkung. „Die Kulturszene ist durch das Haus der Musik Innsbruck stark befruchtet worden. Man redet sich zusammen, hilft sich gegenseitig aus und setzt mehr gemeinsam um.“ Das betrifft alle von der Jazzabteilung des Tiroler Landeskonservatoriums über die Musikethnologie bis zum Mozarteum, vor allem aber auch die Innsbrucker Festwochen der Alten Musik. Aus der räumlichen Nachbarschaft der beiden Institutionen entstand rasch eine enge Verbindung. „Es kann vorkommen, dass bei der Premierenfeier einer Oper, die die Festwochen ausgegraben haben, eine Volksmusikpartie spielt. Das sorgt bei manchen Premierengästen für Verwunderung, aber um zwei Uhr in der Früh tanzen dann doch alle“, erzählt Margreiter schmunzelnd.

Mit Musik durch die Krise

Ausgiebig getanzt wurde auch beim ersten Tiroler Musikantenball, der im Februar 2020 im Haus der Musik Innsbruck stattfand. Tanzlmusik, Blasmusik und Stubenmusik spielten im Foyer, im Großen und Kleinen Saal auf – selbstverständlich unplugged und mit großem Erfolg bei den Besucher*innen. Eine zweite Ausgabe ist angedacht, auch wenn diese vielleicht erst im Fasching 2022 stattfinden kann. Es ist nur ein Beispiel dafür, wie die besondere Situation 2020.21 den Verein fordert. „Jeder, der ein Instrument zu Hause hatte, hat spätestens im Lockdown dazu gegriffen“, sagt Peter Margreiter. Dafür habe man ein Heft mit einfach gesetzten Volksliedern und Online-Tutorials bereitgestellt.

Große Ereignisse wie das Tiroler Adventsingen und der Alpenländische Volksmusikwettbewerb mit ihren langen Vorlaufzeiten mussten neu geplant werden. Andere Formate kamen hinzu, etwa die Konzerte beim „Kulturreigen“ der Tiroler Festspiele Erl im August 2020. Mit „Tirol zualosn“ entwickelte der Verein schließlich ein „COVID-taugliches“ Format für Gaststätten, das vom Land Tirol und der Wirtschaftskammer gefördert wurde, und vermittelte in diesem Rahmen mehr als 500 Volksmusikgruppen zu Gastgarten- Auftritten an die heimischen Wirtshäuser. Das alles bescherte dem Verein „einen der bewegtesten Sommer in seiner Geschichte“, aber trotz des großen Aufwands auch die Freude darüber, dass Haus- und Volksmusik für viele im Land wieder eine besondere Bedeutung erlangten.

Text: Esther Pirchner
Fotos: Andre Schönherr, Seesick Visuals, Ralph Kapavik

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