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Alte Meister, neue Klänge

Ein furios vertonter Stummfilm, Komponistenporträts, große Klaviermusik und wunderbare Barockklänge – all das bringt das Haus der Musik Innsbruck im Herbst und Winter 23/24 auf die Konzertbühne … Zusammengestellt hat das vielfältige Programm Hausherr Wolfgang Laubichler.

Sie haben das Haus der Musik Innsbruck durch die fünf ersten, teils sehr schwierigen Jahre gesteuert. Inzwischen ist das Publikum wieder zurück in den Konzertsälen, und die hauseigenen Veranstaltungen werden sehr gut angenommen.
WOLFGANG LAUBICHLER: Das stimmt. In der vergangenen Saison ist es für uns gut gelaufen. Seit Herbst 2022 – seit dem Beethoven-Zyklus mit Annedore Oberborbeck und Michael Schöch – hat das Interesse wieder angezogen. Damit bin ich sehr glücklich und zufrieden.

Mit Reihen wie Screen & Score, den Academie Konzerten oder Klavier & Co setzen Sie inhaltliche Schwerpunkte. Helfen solche Orientierungslinien im Konzertkalender dabei, Zuseher:innen anzusprechen?
Ob sich das Publikum bisher eher von einzelnen, sehr attraktiven Projekten angesprochen fühlt oder von den verschiedenen Reihen, kann ich noch nicht sagen. Aber natürlich soll es wahrnehmen, dass das Haus der Musik Innsbruck selbst außergewöhnliche Projekte veranstaltet.

Beginnen wir mit einem der außergewöhnlichsten: Was erwartet uns, wenn der Komponist und Elektroniker Wolfgang Mitterer bei Screen & Score: Das Cabinet des Dr. Caligari live vertont?
Der Stummfilm allein ist schon ein Meisterwerk, Mitterer ist ein Spezialist für die Vertonung von Filmen und geht außerordentlich gut mit Elektronik um. Auch dass ich das Tiroler Symphonieorchester Innsbruck (TSOI) einladen konnte und Oswald Sallaberger es dirigiert, hat sich glücklich gefügt. Das Werk ist ursprünglich für solistische Streicherbesetzung geschrieben, aber in Innsbruck wird es mehrfach besetzt, sodass es – bis auf die elektronische Zuspielung – keine Verstärkung braucht. Es wird eine sehr würdige österreichische Erstaufführung.

Zeitgenössische Musik ist im HDM-Programm auch sonst fest verankert, etwa im mehrjährigen Arnold-Schönberg-Zyklus, den Sie in Kooperation mit musik plus durchführen.
Natürlich ist Schönberg aus heutiger Sicht nicht wirklich zeitgenössisch, aber er wird im Verhältnis zu seinem Einfluss auf Neue Musik im Konzertbetrieb zu wenig beleuchtet. Zwölftonmusik wird oft mit großer Skepsis betrachtet, aber wenn Sie Schönbergs Serenade oder Suite anhören, dann hören Sie lebendige Musik, die wahnsinnig toll klingt. Die beiden Werke führt Oswald Sallaberger mit seinem Music Project in der Reihe Wort & Musik auf. Besonders spannend finde ich, dass er die Suite von der Geige aus leiten wird und die Serenade als Dirigent.

Der Pianist Michael Schöch spielt schon zuvor das gesamte Soloklavierwerk. Lässt sich bei Schönberg ebenso wie bei anderen Komponisten anhand dieser Gattung eine Gesamtentwicklung nachvollziehen?
Ich denke schon. Es beginnt mit Frühwerken ohne Opuszahl – spätromantischen Stücken – und geht bis zum zwölftönigen Opus 25. Insgesamt dauern diese Werke eine knappe Stunde, darum stellt Michael Schöch sie in den Kontext von Werken anderer Komponisten, auf die sich Schönberg bezogen hat.

Sergej Prokofjews solistisches Klavierwerk ist umfangreicher. Haben Sie die Kompositionen deshalb auf zwei Abende bei Klavier & Co und zwei Pianisten aufgeteilt?
Es ist eine seltene Möglichkeit, alle seine Klaviersonaten zu hören. Ich liebe diese Werke, sie haben ein unglaublich breites Spektrum. Die fünfte klingt zum Beispiel sehr charmant, melodisch und hübsch. Das gibt es bei ihm auch, doch es kommt auch immer das rhythmisch Extreme dazu und das technisch Virtuose. Das ist auch der Grund, warum ich zwei Pianisten eingeladen habe: Olli Mustonen, von dem es eine fabelhafte Aufnahme der fünf Klavierkonzerte gibt, und Alexey Zuev, der am Mozarteum Salzburg unterrichtet. Er ist technisch perfekt, aber kein Tastendonnerer, sondern spielt mit einer Klangfantasie, die mich absolut begeistert. Ich glaube, von diesen beiden Abenden kann man sich sehr viel erwarten.

Prokofjew begegnet uns noch in einer weiteren raren Zusammenstellung, wenn das Stadler Quartett seine beiden Streichquartette jenen von Karl Amadeus Hartmann gegenüberstellt.
Ein Programm wie dieses liegt einfach genau auf der Linie des Stadler Quartetts, das viel neues und klassisches Repertoire spielt. Besonders interessant daran finde ich, wie diese zwei Komponisten unterschiedlicher Herkunft ungefähr zur selben Zeit mit der gleichen Form – dem Streichquartett – umgehen.

Klavier- und Kammermusik bestimmt außerdem zwei Abende mit Studierenden. Was ist da geplant?
Anlässlich des 150. Geburtstags von Rachmaninow organisiert Annette Seiler vom Konservatorium einen Klavierabend mit vielen verschiedenen, bekanntermaßen schwierigen Werken von Rachmaninow. Der Mozartabend an Mozarts Geburtstag ist das Ergebnis eines Auswahlspiels. Der Pianist Lukas Blanck und die Klarinettistin Lia Obexer treten gemeinsam mit Lehrenden auf, unter anderem mit einer Klaviersonate zu vier Händen, dem Kegelstatt-Trio und Beethovens Es-Dur-Klaviersonate.

Damit sind wir wieder beim TSOI angelangt, das im Dezember mit den ersten beiden Beethoven-Sinfonien auftritt …
… und mit der F-Dur-Romanze. Dirigent ist Johannes Pramsohler, der schon vor fünf Jahren das allererste Academie Konzert souverän geleitet hat. Er wird die erste Sinfonie von der Geige aus leiten, die zweite als Dirigent. Für das zweite Academie Konzert studiert Georg Kallweit, der Konzertmeister der Akademie für Alte Musik Berlin, mit konsBarock alle drei Suiten aus Händels Wassermusik ein – gefällige, aber trotzdem großartige Musik. Musiker wie er vermitteln unglaublich gut, wie spannend die intensive Beschäftigung mit Alter Musik ist. Es geht dabei um Spielpraxis, Artikulation und Phrasierung, um Inhalt und Spielfreude, und das möchte ich dem Publikum gerne zeigen.

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