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Unendliche Möglichkeiten

Ein Jazzpianist, ein Klavier, ein Saal – zwei Mal gibt es diese inspirierende Konstellation bei KLAVIER & CO. Mit den beiden Solisten, dem New Yorker Fred Hersch und dem Tiroler Christian Wegscheider, sprachen wir über musikalische Wege und freies Spiel.

Was waren Ihre ersten Zugänge zu Musik? Haben Sie von Anfang an improvisiert?

FRED HERSCH Bei uns zu Hause gab es vor allem klassische Musik, aber ich habe schon als Kind viel lieber improvisiert als geübt. Diese Improvisationen klangen natürlich wie klassische Musik, weil das mein Genre war. Zum Jazz bin ich gekommen, weil ich einfach gerne mit anderen Musiker:innen vor Publikum spiele – mit einem gemeinsamen Gefühl für Rhythmus und Interaktion. Mit dem Soloklavier begann ich mich ernsthaft vor mehr als vierzig Jahren zu beschäftigen, vor allem mit den großen früheren Jazzpianisten: Earl «Fatha» Hines, Teddy Wilson und Fats Waller.

CHRISTIAN WEGSCHEIDER Ich habe mehr oder weniger als Autodidakt an der Heimorgel begonnen und frei gespielt. Irgendwann bekam ich eine Platte des Dave Brubeck Quartet geschenkt – einer von vielen Splittern, die mich zum Jazz geführt haben. Ich habe mir dann einen privaten Lehrer in München gesucht, der mir weitergeholfen hat. Die klassische Ausbildung kam erst später.

Welche Möglichkeiten eröffnet das solistische Spiel im Konzert? Bietet es mehr Freiheit?

FRED HERSCH Natürlich gibt es im Jazz völlige Freiheit, aber es gibt auch eine Verantwortung für Rhythmus, Klang und dafür, die Möglichkeiten des Klaviers auszunutzen, so gut man nur kann. Das Klavier ist unter anderem ein Schlaginstrument, es kann eine Big Band, ein Orchester oder ein:e Sänger:in sein – und man kann besser als auf jedem anderen Instrument mehrere unabhängige Stimmen spielen. Normalerweise spiele ich Themen, die eine harmonische Struktur haben, aber in letzter Zeit liegt der Schwerpunkt mehr auf der spontanen Komposition. Und ich werde nie müde, solo auf einem großartigen Klavier in einem großartigen Saal zu spielen.

CHRISTIAN WEGSCHEIDER Die Suche nach meiner eigenen musikalischen Sprache begleitet mich schon mein Leben lang. Natürlich erlernt man irgendwann die gemeinsame Sprache des Mainstreamjazz und orientiert sich an Vorbildern. Ich habe auch ganz starke Impulse aus der klassischen Musik bekommen, aus der Romantik und dem Impressionismus. Irgendwann hat man einen Grundstock, und ab da sind die Ausdrucksmöglichkeiten unendlich.

Im Frühling spielt jeder von Ihnen ein Solokonzert im Haus der Musik Innsbruck. Wie bereiten Sie sich darauf vor?

FRED HERSCH Ich plane bei meinen Solokonzerten nur die ersten paar Stücke. Ich kann es nicht ausstehen, hinter der Bühne auf meinen Auftritt zu warten, und denke lieber nicht darüber nach, was ich spielen werde. Also lese ich, spiele ein Spiel oder unterhalte mich mit den Bühnenarbeiter: innen – Hauptsache, es lenkt mich ab.

CHRISTIAN WEGSCHEIDER Bei mir wird es ein recht «herkömmliches» Konzept geben mit komponierten Themen, die ich improvisatorisch weiterführe. Derzeit komponiere ich neue Stücke und führe vorhandenes Material weiter. Und dann gibt es rund 30 Prozent, die ich gar nicht vorbereite, die vollkommen frei sind.

Welche Rolle spielen der Veranstaltungsort, der Raum und das Instrument, vor allem bei einem Soloauftritt?

CHRISTIAN WEGSCHEIDER Raum und Atmosphäre sind enorm wichtig, insbesondere, wenn man viel improvisiert. Man reagiert nicht nur auf sich selbst, sondern auch auf die Umgebung. Der Vorteil im Jazz ist allerdings, dass man sich ein bisschen darauf einstellen kann. Wenn es viel Hall gibt, dann spiele ich eher langsame Sounds. Bei einer trockenen, kleinen Atmosphäre spielt man mehr und differenzierter.

FRED HERSCH Gerade bei einem Solokonzert macht das sehr viel aus. In einem Ensemble interagiere ich mit den anderen Musiker:innen, bei einem Solokonzert interagiere ich mit dem Klang im Raum, mit dem Gefühl der Tasten unter meinen Fingern und mit den Klangfarben, die ich dem Instrument entlocken kann. Natürlich möchte ich emotional und rhythmisch mit dem, was ich spiele, verbunden sein, aber das Klavier muss stimmen und der Klang muss inspirierend sein.

Dann freuen wir als Zuhörer:innen uns darauf, dass der Große Saal im Haus der Musik Innsbruck und der Flügel dort Sie inspiriert. Vielen Dank für das Gespräch.

FRAGEN Wolfgang Laubichler

KLAVIER & CO: JAZZPIANO SOLO I

Klavier Fred Hersch

DO / 23.5.24
Beginn 20.00 . Großer Saal

INFOS & KARTEN

KLAVIER & CO: JAZZPIANO SOLO II

Klavier Christian Wegscheider

DO / 6.6.24
Beginn 20.00 . Großer Saal

INFOS & KARTEN

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