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Die Vielseitige

Annedore Oberborbeck gibt als erste Konzertmeisterin im Tiroler Symphonieorchester Innsbruck (TSOI) den Ton an. Ihr nächstes Projekt im Haus der Musik Innsbruck gilt der Kammermusik. Zum Beethoven-Jahr 2020 spielt die Geigerin zusammen mit dem Pianisten Michael Schöch an drei Abenden alle zehn Violinsonaten des Komponisten – und nimmt damit einen roten Faden in seinem Gesamtwerk und ihrer eigenen musikalischen Karriere auf.

Eintauchen in die Kammermusik

Zugleich kann sie im Orchester vieles zusammenführen, was sie sich in ihrer bisherigen Laufbahn als Musikerin – auch über das technisch virtuose, solistische Spiel hinaus – angeeignet hat. „Ich hatte das Glück, dass ich an unterschiedliche Stellen vielleicht sogar zufällig hingeführt wurde“, meint sie und nennt als Beispiel ihr Studium an der Juilliard School of Music in New York. Damals konnte sie tief in die Kammermusik eintauchen und erlebte „zum ersten Mal, wie es sein kann, wenn man auf Leute trifft, mit denen man sich musikalisch gut versteht, und welche Freude und Bereicherung“ im kammermusikalischen Zusammenspiel liegt.

Mut zum Experiment

Im flexiblen, experimentierfreudigen Nürnberger ensembleKONTRASTE erkundete sie die ganze Bandbreite an musikalischen Formationen vom Duo bis zum großen Ensemble, konnte sich „auf die Musiker komplett einlassen und immer wieder neue Anregungen bekommen“. Dazu kam 2011 bis 2013 die Arbeit im Streichquartett Quartetto Lyskamm – mitsamt der „einzigartigen Intensität“, die diese Gattung fordert. Und schließlich ist da noch ihre Tätigkeit in den größeren Ensembles Spira mirabilis und Chamber Orchestra of Europe: Das eine ein Solistenensemble, das ohne Dirigent arbeitet, das andere ein Kammerorchester, in dem sich Musiker aus der ganzen Welt für einzelne Projekte einfinden. Den Kontakt zu diesen Ensembles pflegt sie weiterhin, auch wenn sie seit mittlerweile sieben Jahren dem TSOI angehört. Und auch sonst ergeben sich immer wieder Gelegenheiten zum künstlerischen Austausch und zur Zusammenarbeit mit Musiker*innen weltweit. „Durch die vielen Lebensorte, die ich hatte“, erzählt Annedore Oberborbeck, „habe ich viele Freundschaften geknüpft und bekomme auch immer wieder neue Ideen.“

„Das Publikum ist
immer ein Teil der Kultur.“

Annedore Oberborbeck

Zwei Musiker, Zehn Sonaten

Um ihr nächstes künstlerisches Vorhaben in die Tat umzusetzen, musste sich Annedore Oberborbeck aber gar nicht in der ganzen Welt umsehen. Stattdessen tat sie sich mit dem Tiroler Pianisten Michael Schöch für ein Projekt zusammen, das ihr schon seit einiger Zeit im Kopf herumgeht. An drei Abenden im November und Dezember führen sie alle zehn Violinsonaten von Ludwig van Beethoven auf, die erste kammermusikalische Zusammenarbeit der beiden und einer der wenigen Beiträge zum Beethoven-Jahr, die voraussichtlich wie geplant ausgeführt werden können. Die Violinsonaten, entstanden über einen Zeitraum von mehr als 15 Jahren, sind als Werkgruppe nicht ganz so gewichtig wie die Streichquartette und die Klaviersonaten, aber sie zählen dennoch zu jenen Kammermusik-Gattungen, denen sich Beethoven über einen langen Zeitraum immer wieder widmete. Alle zehn Werke in einem Zyklus zu erarbeiten und vorzustellen, eröffnet Annedore Oberborbeck und Michael Schöch die Möglichkeit, sich dem Komponisten auf neue Weise anzunähern, seine Entwicklung über die Jahre nachzuzeichnen. „Natürlich kann man nicht den ganzen Menschen dadurch erkennen“, sagt Annedore Oberborbeck, „aber man kann zumindest erahnen, wie viele Facetten Beethoven gehabt haben muss.“

Virtuos und intuitiv

Seit Monaten bereiten sich die beiden auf die drei Konzerte vor, zunächst jeder für sich, dann in etlichen Stunden gemeinsamer Proben. Einen Großteil der Sonaten hat Annedore Oberborbeck schon früher mit anderen Pianisten aufgeführt, einige erarbeitet sie sich neu. Dazu hört sie sich Aufnahmen an, studiert historische Quellen, beschäftigt sich mit dem Notentext, überlegt sich, welche Zusammenhänge zwischen den Stimmen und Bezeichnungen ihr auffallen, und studiert ihren Part ein. Am Beginn der gemeinsamen Proben steht dann „zunächst einmal, einfach zu spielen“. Aus diesem „intuitiven Aufeinander- Eingehen“ folgt alles Weitere: Kleinere und größere Fragen der Interpretation, die in den Proben beantwortet werden müssen, ein gelingendes Zusammenspiel und schließlich die „Verständigung, die später auf der Bühne stattfinden muss“. Mit Michael Schöch, den Annedore Oberborbeck in Konzerten mit dem TSOI schon zweimal begleitet hat, herrschte auch bei den jetzigen Proben gleich gutes Einvernehmen. „Am Anfang klärt man Grundsätzliches“, meint Annedore Oberborbeck dazu: „Wie extrem machen wir etwas, wie viel Pause machen wir, welchen Charakter wollen wir einer bestimmten Stelle geben? Aber wir sind nicht weit voneinander entfernt in der Art, wie wir zusammenspielen.“

Musik, ein Live-Erlebnis

Wie das Ergebnis dieser intensiven Probenarbeit klingt, welche gemeinsamen Wege der Interpretation die Geigerin und der Pianist gefunden haben, das ist bald live im Haus der Musik Innsbruck erlebbar. Zuhörer*innen können sich auf virtuoses Spiel und die wunderbare Akustik, die der Große Saal der Kammermusik bietet, freuen. Für Annedore Oberborbeck haben diese drei Auftritte nach der erzwungenen Konzertpause im Frühjahr eine besondere Bedeutung. „Das Publikum ist immer ein Teil der Kultur, es kann durch sein intensives Zuhören ein Konzert zu einem ganz besonderen Ereignis machen. Und ich hoffe, dass es sich dieser Bedeutung auch bewusst ist und uns, den Kulturschaffenden, diese aktive Aufmerksamkeit weiterhin schenkt.“

BEETHOVEN VIOLINSONATEN I
SO 07.02.2021 . 20.00 Uhr

BEETHOVEN VIOLINSONATEN II
SO 07.03.2021 . 20.00 Uhr

BEETHOVEN VIOLINSONATEN III
DI 23.03.2021 . 20.00 Uhr

Haus der Musik Innsbruck . Großer Saal

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