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Ein, zwei, viele spanische Abende

Die vierte Saison am Haus der Musik Innsbruck widmet Wolfgang Laubichler ganz dem Thema Spanien. Die Bandbreite reicht von Werken des Barock bis hin zu zwei Uraufführungen von Maria de Alvear und Mauricio Sotelo, von Don Quijote-Vertonungen bis zum Flamenco. Im Gespräch erzählt der Direktor des Hauses der Musik Innsbruck, was ihn am Musikland Spanien fasziniert.

Das Haus der Musik Innsbruck besteht seit drei Jahren, die letzten eineinhalb waren aufgrund von Covid-19 nicht ganz einfach. Konnte sich die Arbeit im Haus trotzdem gut entwickeln?
Wolfgang Laubichler: Sehr erfreulich war, dass es schnell ein Zusammenwachsen der Institutionen im Haus gab. Es entstanden viele Projekte und noch mehr Ideen dafür, gemeinsam etwas zu machen. Die Impulse kamen nicht nur von mir zu den einzelnen Institutionen und von diesen zurück, sondern sie haben sich auch untereinander vernetzt: der Tiroler Volksmusikverein, die Innsbrucker Festwochen der Alten Musik, die Universitäten, das Konservatorium. Das war das Positivste in diesen drei Jahren, denn anfangs war es ja fraglich, ob alles zusammenpasst. Die Mischung hat sich gut bewährt und entwickelt. Sie birgt Chancen, die man anderswo gar nicht hätte. Ich versuche, Potenziale herauszufinden und Projekte zu kreieren, die nur hier passieren können. Und dabei wird mir immer mehr bewusst, was alles möglich ist.

Aufgrund von Covid-19 konnte nicht alles, was geplant war, gezeigt werden. Gibt es Gelegenheit, verschobene Projekte später zu sehen?
Einige holen wir in der kommenden Saison nach, ein paar erst 2022.23. Was für die Öffentlichkeit vielleicht gar nicht so wahrnehmbar war: Auch, als es keine Veranstaltungen gab, war das Haus lebendig. Vor allem in den oberen Etagen wurde viel gearbeitet. Es gab zum Beispiel Unterricht in den Universitäten für Einzelne oder in Kleingruppen. Das war sehr tröstlich.

Die Saison 2021.22 bringt aber nicht nur Projekte aus früheren Planungen, sondern vor allem auch einen neuen Schwerpunkt: Musik und Literatur aus Spanien. Was war der Anstoß dafür?
Es gibt ein neues Werk der spanischen Komponistin Maria de Alvear unter dem Titel Ahnen – mit dem Doppelsinn von „Vorfahren“ und „voraussehen“. Sie kennt Innsbruck gut und hat mir vorgeschlagen, dieses Orchesterwerk zu schreiben. Ihre Schwester Ana de Alvear macht dazu Videos und das Tiroler Symphonieorchester Innsbruck führt das Werk im Zyklus Screen & Score auf. Dass Maria de Alvear ein Stück für uns schreibt, freut mich sehr – sie ist eine der renommierten, großen spanischen Komponist*innen –, aber ich wollte das Werk trotzdem nicht als spanischen Solitär im Programm stehen lassen. Deshalb habe ich verschiedene Künstler*innen sowie Institutionen im Haus gefragt, ob sie sich mit dem Thema Spanien beschäftigen wollen. Das Ergebnis ist sehr schön geworden. Sie sind auf den Gedanken angesprungen und haben sich auf das Thema wirklich eingelassen.

Bei spanischer Musik denken viele an Flamenco. Kommt er im Programm vor?
Ja, ich habe in Stuttgart einmal ein Projekt mit dem Stuttgarter Kammerorchester und dem spanischen Komponisten Mauricio Sotelo gemacht. Solist war der Geiger Benjamin Schmid und eine Flamenco-Tänzerin hat dazu getanzt. Das war so zauberhaft, poetisch und schön, dass wir es hier wiederholen. In Innsbruck spielt Benjamin Schmid mit dem schwedischen Kammerorchester Musica Vitae, dessen künstlerischer Leiter er ist. Sotelos Werk Red Inner Light Sculpture für Solovioline und Streichorchester mit Flamencotänzerin und Flamenco-Schlagwerk ist ein faszinierendes Werk. Dazu kommen Bearbeitungen von Sonaten Domenico Scarlattis. Er war ja am spanischen Hof tätig, und Sotelo sieht in diesen Sonaten bestimmte Parallelen zum Flamenco.

Der Italiener Domenico Scarlatti in Spanien – diese Verbindung findet sich noch in einem weiteren Konzert …
Ja, bei Klavier & Co. Die Cembalistin Anne Marie Dragosits spielt unter dem Titel Madrid 1750 Musik vom spanischen Hof. Der Dreh- und Angelpunkt für das musikalische Leben war Königin Maria Bárbara de Bragança, die sehr musikaffin war. Sie hatte bei Domenico Scarlatti seit ihrer Kindheit Cembalo-Unterricht und nahm ihn mit nach Spanien. Überdies hat sie auch andere Künstler*innen und Komponist*innen angezogen – beispielsweise kommt Farinelli in dem Konzert vor, außerdem einige spanische und portugiesische Komponisten aus der Zeit des Barock. Mich freut besonders, dass auch die anderen beiden Konzerte bei Klavier & Co Spanien als Schwerpunkt haben. Es ist ein so vielseitiges, faszinierendes Musikland und wir können in den Konzerten vom Barock bis zur zeitgenössischen Musik vieles zeigen. Artur Pizarro spielt einen Klavierzyklus von Isaac Albeníz und Juan Carlos Garvayo hat unter dem Titel En la Alhambra unter anderem Musik von Claude Debussy, Eigenkompositionen und die Uraufführung eines Werks von Mauricio Sotelo zusammengestellt.

„Vielfalt befruchtet
eine Gesellschaft“

Wolfgang Laubichler

Barock und romantisch wird es im Academie Konzert mit dem Tiroler Symphonieorchester Innsbruck unter der Leitung von Reinhard Goebel. Muss man sich unter dem „spanischen Mozart“ Juan Crisóstomo Arriaga tatsächlich ein Wunderkind à la Mozart vorstellen?
Er hat ebenfalls sehr früh zu komponieren begonnen und ist sehr jung, schon mit zwanzig Jahren, gestorben. Aber seine Musik klingt nicht nach Mozart, sondern sie geht mehr in Richtung Schubert: spätklassisch oder frühromantisch. Seine D-Dur- Symphonie ist wirklich ein Meisterwerk. Reinhard Goebel hat dazu etwas Faszinierendes vorgeschlagen: Drei Stücke, die sich mit der „Folia“ beschäftigen, einem Tanz aus dem iberischen Raum, der durch Arcangelo Corellis Violinsonate unglaublich populär wurde. Es gab damals sehr viele Bearbeitungen. Drei davon, unter anderem Variationen von Antonio Salieri, sind an diesem Abend zu hören. Dass ein iberischer Tanz schon im 18. Jahrhundert ganz Europa erobert, finde ich schon sehr erstaunlich.

Mit der spanischen Literatur haben Sie zwei Lehrende vom Mozarteum in Innsbruck und in Salzburg eingebunden, von einer der Institutionen, die im Haus der Musik Innsbruck tätig sind. Wie sind diese zwei ganz unterschiedlichen Programme zustande gekommen?
Lipa Majstrović gestaltet einen Abend mit Texten und Liedern von Federico García Lorca, der ja auch selbst komponiert hat. Sie ist eine sehr bekannte und begnadete Jazzsängerin. Der Abend wird zwischen spanischer Folklore und Jazz changieren, das ist die Stilistik. Wolfgang Holzmair sollte schon im vergangenen Jahr einen Liederabend machen, der aber leider nicht stattfinden konnte. Statt das Konzert zu verschieben, habe ich ihm vorgeschlagen, etwas zum Thema Spanien zu machen. Er kam dann schnell auf die Idee, Lieder zu Don Quijote zusammenzustellen. Die Stücke von Jacques Ibert und Maurice Ravel in diesem Programm hat er schon früher gesungen, aber er hat darüber hinaus lange recherchiert und ganz unterschiedliche Dinge ausgegraben. Das fängt bei Henry Purcell an, geht über Georg Philipp Telemann bis hin zu Mitch Leigh und seinem Musical Man of La Mancha oder Der Mann von La Mancha. Das wird sicher ein buntes Programm, das sich nur auf diesen Roman konzentriert. Christina Polzer liest dazu Texte aus dem Roman – sie und Wolfgang Holzmair knobeln gerade aus, wie der genaue Ablauf sein wird.

Das Programm umfasst eine große Zeitspanne und Komponisten aus verschiedenen Ländern. Warum inspiriert der Roman so unterschiedliche Künstler*innen über so lange Zeit?
Das ist eine gute Frage. Ich denke, weil es so bildhafte Figuren gibt. Jeder kennt den Roman und seine Figuren, obwohl ihn wohl die wenigsten ganz gelesen haben. Diese Bekanntheit ist schon erstaunlich.
Nicht nur das Mozarteum ist mit zwei Konzerten vertreten, auch mit dem Konservatorium gibt es wieder eine Zusammenarbeit, das Pasticcio Espagnol. Was gibt es da zu hören? Wir haben in Kooperation mit dem Konservatorium und musik+ bei einem Vorspielen begabte Studierende des Konservatoriums ausgewählt. Für den Spanienschwerpunkt war das Gitarrenduo sehr naheliegend, sie haben fantastisch gespielt. Aber es treten auch ein Klavierduo und eine sehr gute, junge Sängerin auf. Das Gitarrenduro spielt zwei Werke des spanischen Komponisten Agustín Castilla-Ávila, Caged Music für präparierte Gitarren. Er ist selbst Gitarrist und wird bei einem der Stücke mitwirken.

Die Gitarre führt uns wieder zurück zum Flamenco, der ja ein gutes Beispiel dafür ist, wie sich verschiedene Kulturen gegenseitig beleben können. Wollten Sie auch die kulturelle Vielfalt der spanischen Regionen zeigen?
Das war nicht der zentrale Gedanke, aber Vielfalt befruchtet eine Gesellschaft. Der arabische Einfluss im Flamenco ist vielen vielleicht nicht bewusst, aber er ist da. Bei den Flamenco-Sängern hört man schon alleine am Klang der Stimme, wie ähnlich das ist. Auch an den ganzen Rhythmen wird man sehr schnell Ähnlichkeiten entdecken.

Wo wir gerade bei der Vielfalt sind: Was begeistert Sie abseits von der Musik für Spanien?
Die Architektur – von den Kathedralen bis zur Alhambra –, die spanische Weinwelt und das spanische Essen. Eine gute Paella oder ein Pata Negra-Schinken, ein guter trockener Sherry, die ganzen kräftigen Geschmäcker … Ich hoffe, dass das Catering im Haus sich auf die Konzerte ein wenig abstimmen kann.

Interview: Esther Pirchner
Fotos: Franz Preschern

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