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Begräbnismusiken von purer Schönheit

Eine Verszeile von Joseph von Eichendorff – „Wir wollen dennoch singen“ – wählte der Dirigent und Komponist Rupert Huber als Titel für ein Konzert zum Thema Tod und Begräbnis. Der Weg führt dabei vom Haus der Musik Innsbruck mit Geleit in die Hofkirche, vom klassischen Streichquartett zu zeitgenössischer Vokalmusik mit Streichensemble.

„Mich interessiert die menschliche Stimme als solche. Ihre unmittelbare Wirkung ist viel stärker und größer als die jedes anderen Instruments.“ Der das sagt, ist der österreichische Dirigent Rupert Huber, der in seiner musikalischen Laufbahn eine ganze Reihe von Rundfunk- und anderen Chören leitete: jene des MDR, NDR und des Bayerischen Rundfunks, außerdem die Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor und den Chor der Salzburger Festspiele. Dabei sei Chormusik, wie sie in unserem Kulturkreis verstanden und tradiert wird, „eigentlich etwas unglaublich Verstaubtes“. Lieber spricht Huber von vokaler Ensemblemusik und verweist auf die vielen verschiedenen Arten zu singen, die es auf der Welt gibt. In seinen Projekten zielt er oft auf den „authentischen, auf die Melodie orientierten Gesang, der mit jedermanns Stimme zustande kommt“. Zugleich gilt er als Spezialist für die Uraufführung zeitgenössischer (Vokal-)Kompositionen von Luigi Nono, Klaus Huber, Karlheinz Stockhausen, Beat Furrer oder Toshio Hosokawa.

Radikale Konzepte, schöne Töne

Mit dem US-amerikanischen Komponisten Robert Moran, der für das Konzert in der Hofkirche eine Waldfriedhofsmusik schrieb, verbindet Huber eine lange Geschichte. Er kennt die radikalen Konzepte Morans aus den 1970er-Jahren und zeigt sich noch immer überrascht von einem Auftragswerk für den WDR, das „sowohl zwölftönig als auch apart“ war. Noch mehr erstaunte Moran ihn mit einem Stück für die Ruhrtriennale, das „völlig anders war als alles andere davor: klanglich sehr wohltönend, harmonisiert mit ganz einfachen Akkorden, eine Art akustisches Schaumbad“.

Sein aktuelles Werk Waldfriedhofsmusik für drei (semiprofessionelle) Chöre und Streichquartett schrieb Moran auf Anfrage von Huber. An der Uraufführung in der Innsbrucker Hofkirche beteiligen sich die Chöre von Mozarteum Innsbruck und Tiroler Landeskonservatorium sowie der Chor CHORrekt. Die Einstudierung liegt in Rupert Hubers Händen, die Vorbereitung dazu übernehmen die jeweiligen Chorleiter. Dabei bringt das Streichquartett nicht nur eine Erweiterung des Klangspektrums, es ist für die im Raum verteilten Sänger*innengruppen auch eine Art hörbaren Anker bei der Intonation. Die Blicke sind beim Konzert aber auf den Dirigenten gerichtet, der alles mit einer von John Cage entwickelten Dirigierart koordiniert. Dabei werden die Arme im 15-Sekunden-Takt nach oben, seitwärts und unten ausgestreckt – eine Technik, die der „speziellen Art von Unbestimmtheit“ Morans entspricht.

Gesang als Weltentdeckung

Den Titel „Waldfriedhofsmusik“ fand Robert Moran en passant auf einer Autofahrt in Deutschland. Die Bedeutung der einzelnen Wortteile Wald, Friedhof und Musik waren Bezugspunkte bei der Komposition. Rupert Huber fand darin und im Zitat von Joseph von Eichendorff Anregungen für die Gestaltung des gesamten Konzertabends. An die Aufforderung „Wir wollen dennoch singen“ knüpfte Eichendorff die Hoffnung, von den Verstorbenen gehört zu werden. Für Rupert Huber beschreibt der Satz mehr noch eine Haltung zur Welt. „Das Singen verändert einen und man ist in der Lage, die Welt, die Umgebung ganz anders wahrzunehmen. Gerade in unserer Zeit hat etwas so zauberspruchartig Knappes wie diese Zeile von Eichendorff eine große Gültigkeit.“

Mit Geleit zu den Schwarzen Mandern

Der Waldfriedhofsmusik, mit der das Konzert ausklingt, stellt Huber als Gegenstück am Beginn Franz Schuberts Streichquartett Der Tod und das Mädchen von 1824 gegenüber. Das hat zum einen inhaltliche Gründe. „Das gesamte Streichquartett steht mit der Thematik Tod und Leben in Verbindung“, sagt Huber, „speziell der zweite Satz ist ein Rekurs auf das gleichnamige Lied“, das Schubert neun Jahre vorher schrieb. Zum anderen nahm Huber Der Tod und das Mädchen ins Programm auf, „weil es ganz einfach eine geniale Komposition ist“. Ist diese im Großen Saal im Haus der Musik Innsbruck verklungen, dann geht das Publikum über die Straße zur Hofkirche. Huber komponierte dafür ein „Geleitmodem“, eine Überleitung mit vier auf dem Weg von Tür zu Tür platzierten, eigens angefertigten Plattenglocken, die mit Schlägeln gespielt werden. Die Konzertbesucher*innen nehmen den Zusammenklang der Glocken unterschiedlich wahr, während sie daran vorübergehen. Sie selbst bilden dann einen Zug, der den Begräbniszug der Schwarzen Mander für Kaiser Maximilian I. widerspiegelt. Inmitten der „statischen Inszenierung in der Kirche“ tauchen sie dann ein in „die sehr schöne, besinnliche Musik Robert Morans am Ort des Geschehens“.

Von Esther Pirchner

HDM IN CONCERT: WIR WOLLEN DENNOCH SINGEN! (EICHENDORFF)

Musik von Schubert, Huber und Moran zu Tod und Begräbnis

SO 23. April 2023
Beginn 20.00 . Großer Saal

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